Hallo zusammen!
Tja, harte Zeiten für den Datenschutz. Bereits vor der Wahl der CDU/SPD dieses Jahr fiel mir mit der Einführung der ePA auf, dass eine neue Bedrohung für die Bürgerrechte den Raum betreten hat.
Die Bedrohung sehe ich meiner Meinung nach: im Opt-Out-Verfahren.
Kurz zur Begriffserklärung:
Opt-In: Der Bürger bekommt etwas nur, wenn er aktiv zustimmt.
Opt-Out: Der Bürger bekommt etwas automatisch, solange er nicht widerspricht.
Beim Opt-In ist in jedem Fall gewährleistet, dass der Bürger sich zunächst aktiv mit dem Thema befassen muss. Man kann ihm eher zutrauen, dass er mit etwaigen Risiken ausreichend vertraut ist. Und wenn er/sie keine Zeit/Lust hat, sich damit auseinanderzusetzen - kein Problem. Schließlich bekommt er es ja nur, wenn er aktiv zustimmt.
Anders sieht es beim Opt-Out aus. Hier "zwingt" man dem Bürger etwas auf, wobei dieser sich überhaupt nicht mit dem Thema befasst haben muss. Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl der betroffenen Menschen keine Ahnung haben werden, worum es geht. Man muss ebenfalls davon ausgehen, dass es Lebenssituationen gibt, in denen man schlicht keine Energie hat, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen, oder man sogar physisch gar nicht dazu in der Lage ist. Und wenn es so ist? Tja, Pech gehabt - es kommt automatisch. Man rechtfertigt dieses Prinzip i.d.R., indem man ausreichende Aufklärung über gängige Informationskanäle verspricht.
So weit, so gut. Warum halte ich es für problematisch?
Wie kann garantiert werden, dass der Bürger sich damit befasst? Wie wird garantiert, dass er es auch versteht? Wie wird garantiert, dass die gelieferten Informationen schonungslos ehrlich über alle Risiken aufklären?
Im Falle der elektronischen Patientenakte (ePA) sehen wir, meiner Meinung nach ein gutes Beispiel, wie es nicht gehen darf. Wir haben hier ein Projekt, dass mit hochsensiblen Gesundheitsdaten umgeht. Der Bürger hat hier Ansprüche auf informationelle Selbstbestimmung. Er mag zwar Informationen darüber erhalten haben, aber diese genügen nicht den Ansprüchen, um von einem informierten Bürger sprechen zu können. I.d.R. werden die Bürger angeschrieben, ihnen wird versprochen, dass nun alles besser und einfacher wird und im letzten Absatz sagt man, dass es noch einige als "vernachlässigbar" geframete Risken gibt. Wie kann denn das überhaupt erlaubt sein?
Und werden wir davon in Zukunft noch mehr sehen? Werden wir nun immer misstrauisch sein müssen, wichtige Informationen zu verpassen, oder gar unvollständige Informationen zu erhalten?
Sowas lässt sich ja schließlich für so manche Dinge missbrauchen:
Abhören deines Telefons? Übermittlung all deiner Daten an XY? Kameras auf Toiletten? - "Keine Sorge, du kannst ja widersprechen".
Würde mich mal interessieren, was ihr davon haltet.
~ sp3ctre
Ich bin da zwiegespalten. Ja, du hast Recht, dass man das nutzen kann, um Leuten was heimlich unterzuschieben. Genau wie die ganzen Behörden, die deine Daten verkaufen und du das natürlich nie mitkriegst, aber widersprechen kannst.
Aber: Gerade so Geschichten wie die Organspende zeigen, dass sich eben der Großteil der Leute schlicht und einfach nicht mit gewissen Themen beschäftigen will. Ich kann das auch gut verstehen. Meine Freizeit ist knapp und ich mach da lieber was mit der Familie, betreibe ein Hobby, mach Sport und lese keine Informationen über elektronische Patientenakten, Steuermodelle, Digitalisierungskonzepte und beschäftige mich auch ungerne mit den neuen AGB meiner Bank oder von eBay. Und das ist dann genau der Punkt, wo du mit Opt-In nicht weiterkommst. Dann hast du ein neues Dings und alle ignorieren es.
Das Organspende-Thema ist ein gutes Beispiel gegen Opt-out. Es wäre ein erheblicher und nicht zu entsprechender Eingriff, wenn alle erst mal Spender wären. Die Leuten wollen sich aus Mangel an Zeit und Lust nicht mit Sachen auseinandersetten. Bei Organspende kommt das Thema des eigenen Tods dazu. Wer nun opt-out befürwortet, nutzt das aus, denn es wird sich bei den Leuten nichts wirklich ändern. Der Staat entscheidet also wissentlich für die meisten.
Es war seit jeher Rechtsprinzip, die Leute zu schützen. Stellt euch vor, jemand von der Arbeit nutzt privat eure Daten für irgendwelche wirtschaftlichen Zwecke. Als das Thema aufkommt, bekommt ihr als Antwort, ihr könnt ja widersprechen. Das wäre komplett absurd. Und so ist es auch für den Staat. Die ePA ist das perfekte Beispiel für den nicht gutherzigen Staat: Automatisch werden nicht anonymisierte Gesundheitsdaten an Privatunternehmen weiter gegeben.
Nun schau dir an, wie der Staat und die Krankenkassen darüber informiert haben. Meine hat nicht mal eindeutig drauf hingewiesen, dass ich widersprechen muss, wenn ich die "ausschließlichen" Vorteile nicht will.
Sehe ich tendenziell auch so, nur dass ich es bei der Organspende "etwas lockerer" sehe, obwohl es auch hier gute Argumente gegen eine Organspende gibt (bemüht sich der Arzt im Notfall vielleicht weniger, wenn er weiß, dass jemand Organspender ist und die Organe zufällig gerade gebraucht werden?).
Aber sind ja auch alles nur Beispiele zur Veranschaulichung. Unterm Strich sehe ich persönlich auch deutlich mehr Missbrauchspotential im Opt-Out.