Um euch mal zu schildern wie sowas dann konkret aussieht:
Bayern, irgendwann um die Jahrtausendwende. Setzt euch, Opa Eine der ersten Schichten "in Verantwortung" für meine Wenigkeit nach dem Examen. Blutjung, nicht ganz schlecht ausgebildet aber reichlich unerfahren. Und nun auch noch "woanders hin" ausgeliehen,in eine sehr ländliche Gegend für die Woche.
Gegen Mittag Alarmierung in eine Neubausiedlung. Eine Frau Mitte 30, neben ihr wusseln zwei kleine Kinder,das Dritte ist,wie sie uns mitteilt, auf dem Weg. 20 SSW, die sog. "Death moms and bub alley" - in dieser Phase sind die Kinder und ihre Begleitstrukturen bereits groß genug um den Müttern ordentlich zu schaden, aber noch nicht lebensfähig. Die Dame berichtet von Wehen heute Nacht,diese seien jetzt aber wieder schwächer - frühe Wehen hätte sie in den beiden vorhergehenden (+eine Todgeburt) immer gehabt, aber noch nie so schlimm. Schlecht. Noch schlechter: Deutliche Menge Blut heute Nacht,nun fühle sie sich so schwach und Scheisse - und ungefähr doppelt so Scheisse sieht die Patientin aus, meine letzte Reanimation hatte mehr Farbe im Gesicht als sie. Der Kollege, gelernter KfZ Meister, schüttelt nur den Kopf als er die Vitalparameter misst...Eine Herzfrequenz von 120 bei einem Druck von 90 lassen auf ein fulminantes Schockgeschehen schließen. Genauso wie die brett harte Bauchdecke. Die Patientin blutet in den Bauch.Fuck.
Nun ist die Frage: Beine in die Hand nehmen,Patientin ins Auto schmeißen und los in die Kreisklinik (mit großer Geburtshilfe)in 10min Entfernung oder das Ganze eskalieren und einen Notarzt oder gar Hubschrauber holen,mit dem Risko,dass dieser auch die Kreisklinik wählt -und es der Patientin schlechter geht durch diese Verzögerung. Aber vielleicht würden die ja ins nächste Schwerpunkthaus zuweisen?
Am Ende,und das stellt sich nachher als Fehler heraus, denke ich wieder an den einen Leitsatz zum Thema "akutes Abdomen": The only way to heal is cold bloody steel (House of God). Der Kollege und ich schleifen die Patientin also sehr wörtlich zu nehmend ins Auto, es gibt zwei große Zugänge(Infusionsnadeln. Groß heiß hier: 14G, aka 1,6mm).Man ist im Schockraum etwas verwundert warum wie zu ihnen gekommen sind, aber gut.
2h später neuer Alarm,dieses Mal in besagte Kreisklinik, Intensivverlegung in die nächste Großstadt. Der Kollege flucht die gesamte Anfahrt lang - wir müssen jetzt genau durch das gerade aufziehende Sommergewitter durch,das erklärt dann immerhin warum man den Fall nicht fliegt. Auf Intensivstation treffen wir dann unsere Patientin von vorher wieder. Mittlerweile mit einer Bluttransfusion und Katecholaminen(Adrenalin und Konsorten-> Erhöhen den Blutdruck) versorgt, aber nicht operiert. Sowohl der begleitende Notarzt als auch wir sind verwundert-erst Recht als man uns die Übergabe macht: Die Patientin hat eine sog. Dehiszenz - nach dem letzten Kaiserschnitt ist der Uterus im Narbengewebe nicht zufriedenstellend zusammen gewachsen und daraufhin nun gerissen, dieser Rise hat wohl paralellel weitere Strukturen betroffen und blutet jetzt wie sonstwas in den Bauchraum. Auf Nachfrage warum man nicht operativ vorgehe kriegt man nur zu hören,dass msn das hier nicht könne. Wir ziehen verwundert mit der Patientin ab, diskutieren bringt nix, hilft der Patientin nix. Die Gynäkologin begleitet uns noch bis zum Auto, erzählt uns dann den wahren Grund: Es gibt inoffiziell eine Anweisung des Trägers, einer kirchlichen Einrichtung, das unter keinen Umständen Abtreibungen oder sonstige Eingriffe durchgeführt werden,die der Beendigung der Schwangerschaft gleich kommen. Ebenso dürfe keine Diagnostik durchgeführt werden die solchen "Taten" Vorschub liefert. Da in diesem Fall aber in jedem Fall das ungeborene Kind zu Tode käme (bzw. mittlerweile vielleicht schon tot ist - das letzte Mal als sie geschallt habe,war das Kind schon soweit geschädigt, dass es keine Überlebenschancen mehr hatte) fand sich schlichtweg kein Pflegepersonal. Diese ständen direkt unter der Fuchtel der Primarin(Obernonne) - sie selber hätte wohl operiert nur ohne Anästhesie und Pflege wird das schwer.
Die Fahrt selber wird ein ziemlicher Krampf werden - die Patientin ist ausgeblutet, wir haben kein Blut dabei,die Reserven der abgebenden Klinik sind aufgebraucht.
Am Ende reicht es nicht ganz: 5min vor dem Eintreffen wird die Patientin reanimationspflichtig, das Herz hat noch Elan zu pumpen, aber nicht mehr genug Volumen um sich selber zu versorgen.
Die Patientin wird unter laufender Wiederbelebung in den Schockraum gebracht, dort wird der Bauch der länge nach aufgeschnitten um dann eine Klemme auf die Aorta zu setzen - eine Maßnahme die massivste Konsequenzen haben kann wenn der Pat. überlebt.
Zusammen mit viel Blut, Medikamenten,etc. hat die Patientin nach 20min wieder einen Puls. Das Kind ist wenig unerwartet schon lange verstorben. Zu den schlimmsten Momenten war das,was aus der Patientin raus lief übrigens fast durchsichtig(Steak-Saft Farben )- denn so wenig Blutkörperchen waren noch übrig um O2 zu transportieren. (Für die Medibubble: Hb unter 2...g/dl!)
Im OP stellt die Dame wohl ein zweites Mal ab, wird aber erneut geholt. Durch die lange Abklemmung der Aorta entwickelt sie eine Nekrose in den peripheren Gefäßen, insb. den Zehen und eines Fußes. Letzterer muss am dritten postoperativen Tag amputiert werden. Schwerer wiegt die Hirnschädigung. Die Patientin entwickelt ein massivstes Hirnödem, am Ende hilft nur eine Entfernung eines Stücks Schädeldecke um die Lage unter Kontrolle zu kriegen. Leider kommen beide Nieren mit dem ganzen Kram den sie erleiden mussten nicht klar und geben unterwegs auf. (Medibubble: HyperHAES lässt grüßen...)
Die Patientin überlebt zwar, wird aber im Verlauf noch einen Unterschenkel verlieren, durch den Hirnschaden 24/7 auf Pflege angewiesen sein, im E-Rolli sitzen, den Interllekt eines 4 Jahre alten Kindes besitzen und nicht mehr für ungeübte verständlich reden können.
Warum? Weil ein paar Leute die sich gerne verkleiden an einen Typen namens Lattenjoe glauben,gemerkt gaben,dass man mit Kliniken Geld verdienen kann und indoktrinieren kann.